veröffentlicht am 03.12.2025
„Der gestiefelte Kater“ schleicht sich in die Herzen des Publikums
Tivis Märchenspiel e.V. spielt die Premiere vor ausverkauftem Haus.
Es gibt Momente, in denen ein Theater schon vor der ersten Note zu atmen scheint. Lange bevor der Vorhang sich hebt, liegt eine besondere Erwartung in der Luft – wie ein leiser Zauber, der sich seinen Weg durch Gänge, Treppenhäuser und Garderoben bahnt. Genau so fühlt es sich an, wenn Tivis Märchenspiel e.V. seine Aufführungswoche erreicht. Eine Woche, die weit mehr ist als Termine im Kalender: Sie ist Höhepunkt, Herzschlag und Heimkehr zugleich.
Seit Monaten wächst das Märchen im Verborgenen. In Probenräumen und Bastelecken, in stillen Momenten des Textlernens und in lauten Momenten des gemeinsamen Probens. Aus Stoffstücken werden Kostüme, aus Skizzen Kulissen, aus einzelnen Noten Musik. Aber erst jetzt – jetzt, wo die Lichter wärmer scheinen und das Raunen des Publikums langsam den Saal erfüllt – wird aus all den kleinen Teilen etwas Ganzes.
In diesem Jahr steht „Der gestiefelte Kater" im Mittelpunkt dieser besonderen Woche. Ein Märchen voller Mut, Witz und unerwarteter Wendungen: Ein junger Müllersohn, scheinbar vom Glück verlassen, eine Katze mit roten Stiefeln und einem Plan – und eine Geschichte, die zeigt, dass es nicht auf Größe oder Herkunft ankommt, sondern auf Zusammenhalt und Zuversicht. Bei Tivis gibt es keine "Hauptrollen". Jede Figur, jede Stimme, jeder Schritt trägt dazu bei, dass das Publikum in diese Welt eintauchen kann und am Ende ein kleines bisschen verzaubert wieder hinausgeht.
Doch während auf der Bühne das Märchen erblüht, vollzieht sich im Orchestergraben ein ganz reales Kapitel Tivi-Geschichte. Nach vielen Jahrzehnten hat der langjährige Dirigent und Komponist Detlef Loose seinen Taktstock weitergereicht – an Imke Mende und Friederike Springer, die nun gemeinsam die musikalische Leitung übernehmen.
In den frühen 1960er-Jahren begann Loose als jugendlicher Geiger im Tivi-Orchester, bevor er etwa zehn Jahre später die Nachfolge von Wilhelm Homeyer als musikalischer Leiter und Komponist antrat. In den folgenden Jahrzehnten entstanden unter seiner Feder die Musikfassungen zu „Hase und Igel“, „Peterchens Mondfahrt“, „Hänsel und Gretel“, „Der Froschkönig“ und zahlreichen weiteren Märchenproduktionen. Er führte Generationen durch Proben, Premieren und sogar zu Gastspielen in seiner Heimatstadt Walsrode. Dass nun zwei Musikerinnen die Leitung übernehmen – darunter eine, die selbst mit Tivis groß geworden ist – erfüllt ihn mit großer Freude.
Imke Mende, heute Musiklehrerin und Mutter zweier Bühnenkinder, kehrte gemeinsam mit Kollegin Friederike Springer zum Orchester zurück. Beide arrangierten die Musik des „Gestiefelten Katers“ neu, ergänzten eigene Kompositionen und führen nun ein über vierzigköpfiges Orchester, in dem Menschen zwischen acht und fünfundsiebzig Jahren miteinander musizieren. Loose erlebt das Märchen in diesem Jahr erstmals aus dem Saal – ein Moment, der für die gesamte Tivi-Familie fast so feierlich ist wie die Premiere selbst.
Wenn die zweistündige Vorstellung endet, wenn die Kinder und Jugendlichen sich verbeugen und im Publikum die ersten glänzenden Augen zu sehen sind, beginnt jene besondere Zeit, die nur die Tivi-Aufführungswoche kennt: fünf Tage voller Begeisterung, Gedränge, Lampenfieber, Müdigkeit, Zusammenhalt und unvergesslicher Augenblicke.
Eine Woche, die in Erinnerung bleibt – nicht nur denen, die zuschauen, sondern vor allem denen, die sie auf und hinter der Bühne mit Leben füllen.
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